Tipp der Trainer: Aufs „Bauchgefühl“ verlassen!

thorsten

“Coolness-Trainer” Thorsten Unsöld (l.) demonstriert anschaulich, dass “Gewalt niemals eine Lösung sein darf”.

Thorsten Unsöld holt weit aus und schlägt mit der flachen Hand zu. Peng! Das eigens dafür präparierte Schlagpolster, das ein Schüler aus der Klasse 6b vergeblich festzuhalten versucht, prallt mit Wucht gegendie Tafel. Zum Glück ist diese Aktion des ausgebildeten Anti-Aggressivitäts-Trainers nur Teil eines Kurses an der Merian-Real-Schule (MRS) in Ladenburg. Eine ebenso heftig ausgeführte “Ohrfeige” führte im Hessischen tatsächlich dazu, dass in deren Folge ein 14-Jähriger unglücklich gestürzt und heute halbseitig gelähmt ist.

Mit diesem “krassen Fall” zeigte Unsöld auf, dass Gewalt niemals eine Lösung sein dürfe: “Ihr wisst nie, was Ihr durch eine Aktion gegen andere auslösen könnt”, sagte der staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieher sowie Coolnesstrainer der Gesellschaft für Konfliktmanagement (GfK) aus Wiesloch. Zusammen mit der angehenden Bildungswissenschaftlerin Vanessa Fromm führte Unsöld an drei Vormittagen in allen drei sechsten Klassen an der MRS das Verhaltenstraining “cool, sicher, selbstbestimmt” zur Gewaltvorbeugung durch.

“Es geht heute darum, eine Selbsterfahrung zu machen”, erklärt Frau Fromm eingangs einer praktischen Übung namens “Raumdurchquerung”. Dabei erlebt jede Schülerin und jeder Schüler Gewaltsituationen oder derenEntstehen hautnah im Rollenspiel. Unsöld mimt wieder den “Bösen”, spricht die Kinder mehr oder weniger aggressiv an und versucht sie in ein Gespräch zu verwickeln. Die Reaktionen der Schüler werden besprochen. Unsöld vermittelt fünf goldene Regeln, die es zu beherzigen gilt, wenn man in unbehagliche Situationen gerät (siehe Info-Box). Danach spielt die Gruppe die Situation erneut durch. Übung macht den Meister: So kann es gelingen, in brenzligen Situationen nicht vor Angst zu erstarren und möglichst gelassen zu reagieren, eben “cool” zu bleiben.

„Cool, sicher, selbstbestimmt“

Das Verhaltenstraining “cool, sicher, selbstbestimmt” soll Schülerinnen und Schüler der Merian-Realschule Ladenburg in die Lage versetzen, das Entstehen von Gewaltsituationen frühzeitig zu erkennen und diese möglichst zu vermeiden oder zu beenden.

Dabei werden von den Trainern der Gesellschaft für Konfliktmanagement (Wiesloch) fünf Regeln vermittelt: 1. Abstand halten, 2. selbstsichere Körpersprache, 3. laute Stimme, 4. Täter siezen und 5. nicht ansprechbar sein.

Der Schul-Förderverein und der Verein “Kriminalprävention Rhein-Neckar” ermöglichen das Training für alle sechsten Klassen finanziell. pj

“Verlasst Euch auf Euer Bauchgefühl!” Diesen Tipp gibt die Trainerin den Teilnehmern zur Einschätzung von Situationen mit. Auch bei so genannten “Mobbing-Kreisen” im Schulhof sollen die Kinder die Situation der Person in der Mitte erkennen können: Ist es wirklich Spaß oder wird auf einem Mitschüler herumgehackt?

Dass es manchmal an der Courage hapert, jemanden da “raus zu holen”, oder dass keine Pausenaufsicht zu finden ist, wird ebenfalls thematisiert. “Ihr tretet selbstbewusst und selbstbestimmt auf.” Anerkennend stellen die Trainer in der Gesprächsrunde nach der Auftaktübung fest, dass einige der Kinder durch Eltern, Großeltern oder ähnliche Kurse schon recht gut auf unangenehme Situationen vorbereitet worden sind. Zumindest wirkt es im Rollenspiel so. “Draußen und alleine hätte ich mich aber nicht sicher gefühlt”, gesteht ein Mädchen. “Es geht uns um die Stärkung junger Menschen: Sie sollen ihre Grenzen erfahren und lernen damit umzugehen”, erklärt MRS-Rektorin Dr. Edeltrud Ditter-Stolz.

Es ist nicht das erste Training dieser Art: Die MRS bietet dieses Verhaltenstraining zur Gewaltvorbeugung in Regie der städtischen Schulsozialarbeiterin Bianca Seßler schon länger an. “Dafür gibt es keinen besonderen Anlass”, versichert die Schulleiterin und fügt hinzu: “Die Kinder waren wieder hellauf begeistert.” Ab der siebten Klasse folgen weitere Angebote auf dem Weg zum “Friedenspaten” an der MRS: So können sich Schüler zu Schulwegbegleitern, Musik- und Spielmentoren sowie Schulsanitätern ausbilden lassen.

Von unserem Mitarbeiter Peter Jaschke

© Mannheimer Morgen, Samstag, 30.01.2016